Aus Teil II ‚Mosuo – die matriarchale Wende
Die beiden Familienkonzepte, das der Mosuo mit ihren Besuchsbeziehungen und das der ehelichen Kleinfamilie, prallen aufeinander. So auch in einer Talkshow
Meistens aber führten Frauen das Wort, wie in der Talkshow, die er neulich abends gesehen hatte.
Drei Mosuo-Frauen und drei Ehefrauen saßen sich gegenüber, letztere jeweils seit mehr als 20 Jahren verheiratet - glücklich, wie sie nicht aufhörten zu betonen. Was die Mosuo-Frauen natürlich dazu veranlasste, die Repräsentativität dieser Gesprächsgäste mit Blick auf die Ehe, die bekanntlich in circa der Hälfte der Fälle scheiterte, anzuzweifeln.
Die fehlende Repräsentativität der Gesprächsgäste war ein immer wiederkehrendes Ärgernis an diesen Gesprächsrunden, was Helbig aufstieß, auch als gelernter Sozialwissenschaftler. Deswegen schaute er auch diesmal nur mit halber Aufmerksamkeit zu. Er hatte schon erlebt, dass zum Thema Prostitution Frauen eingeladen wurden, die einen akademischen Grad vorzuweisen hatten und die ausgesprochen gern auf den Strich gingen.
Ob sie als Ehefrauen nun repräsentativ seien oder nicht, sei einerlei. Weil eine dauerhafte, möglichst lebenslange Bindung an einen Mann das sei, was die meisten Frauen von sich heraus einfach WOLLEN, viele Männer wollten übrigens ebenfalls eine solche Beziehung zu einer Frau. Und dass so viele die Zweisamkeit trotz der realistischen Gefahr des Scheiterns immer noch anstrebten, zeige nur, wie richtungsweisend und attraktiv dieses Lebensmodell sei.
Woher sie das denn wissen würden, was die meisten Frauen so wollen.
Jetzt zeigten die Ehefrauen ein überlegenes Lächeln, denn sie zitierten irgendeine Erhebung. Die beweise nur, wie sehr bei ihnen dieses unrealistische Idealbild in den Köpfen verankert sei. Leider. Und zum Leidwesen von Frauen, die nach einer Trennung in die Grundsicherung abstürzten, weil sie mit den Kindern nicht oder nur wenig arbeiten könnten. Ganz zu schweigen von den Kindern selbst. Wer beziffere eigentlich den gesellschaftlichen Schaden bei der nachwachsenden Generation bei einer Scheidungsquote von annähernd 50%?
Die Kinder sollten später zur Sprache kommen.
Damit kam auch mal die Gesprächsleiterin zu Wort.
Die hübscheste der Mosuo-Frauen bat darum, etwas ausholen zu dürfen. Typ Wagenknecht, schöne, ebenmäßige Gesichtszüge, und wie die ehemalige Frontfrau der Linken hatte sie etwas Hartes und Konsequentes.
Frauen würden in allen Kulturen die Tendenz zeigen, die vorherrschenden Regeln und Gepflogenheiten mit Blick auf Sexualität und Fortpflanzung kritiklos zu verinnerlichen. Weil das nun mal die größte Gewähr dafür biete, innerhalb dieser Kultur auch Kinder in die Welt zu setzen und somit die Population zu erhalten. Dieses Verhaltensmuster sei mit Blick auf den Erhalt der Menschheit also völlig normal.
Na und? Was daran denn so schlimm sei.
Da lohne ein Blick über den Tellerrand. Dahin, wo über die Verwerflichkeit von bestimmten Gepflogenheiten wohl kein Zweifel bestehen könne. Man sollte sich Frauen ansehen, die Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um an ihren Töchtern eine Klitoris-Beschneidung vornehmen zu lassen. Und das, obwohl sie selbst teilweise nur mit knapper Not diese Tortur überlebt hätten und für immer eines intensiven sexuellen Empfindens beraubt seien. Eine Grausamkeit übrigens, die nur von Frauen an anderen Frauen begangen werde. Und alles nur, weil Frauen sich nicht von der Normierung, unter der sie aufgewachsen seien, lösen könnten, einer männergemachten Normierung, versteht sich.
Bei der Andeutung dieses Vergleichs war es gut, dass die beiden Lager durch den wuchtigen Körper der Gesprächsleiterin getrennt waren.
Das sei ja wohl der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Wie sie sich unterstehen könne, das Ideal einer dauerhaften Liebesbeziehung mit dieser grausamen Verstümmelung in einen Zusammenhang zu bringen?
Ganz einfach. In beiden Fällen gehe es darum, dass Männer ihren Ausschließlichkeitsanspruch auf eine Frau durchsetzen wollten. Zu diesem Zweck werde die weibliche Sexualität kontrolliert und eingeschränkt. Ihnen hätte man die Vorstellung von immerwährendem Glück zu zweit ins Hirn gepflanzt, mit der Ehe als gesellschaftlicher Institution. Sicher eine subtilere Form der Machtausübung im Vergleich zu jenen afrikanischen Frauen, denen man die Vorstellung eingepflanzt habe, eine Klitoris gehöre beschnitten und eine Möse zugenäht. Es bleibe der gemeinsame Nenner, dass der Mann die Sexualität der Frau kontrollieren wolle. Immerhin habe Ihr Mann es ja geschafft, sie so subtil in ihrer Sexualität zu beschneiden, dass sie jetzt glaube, das sei etwas Gutes und es müsse hier verteidigt werden.
Ich lasse mich nicht derart entmündigen. Wie können Sie nur …
Nach dieser Provokation schien eine der Ehefrauen drauf und dran, über den Tisch zu gehen, um dieser Mosuo ihr hübsches Gesicht zu zerkratzen.
Dazu kam es zwar nicht, aber der Leiterin schien es auf absehbare Zeit nicht zu gelingen, das Gespräch wieder in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken. Nach einer Weile war Helbig das Gekeife leid und er schaltete ab.
Helbig unterhält mit Maria, der Oma von Larissa, die er zu Hause beschult, eine Besuchsbeziehung.
Bei Helbig machte sich gerade eine gewisse Bettschwere breit, da hörte er, wie draußen mehrere Wagen vorfuhren. Wer sollte das anders sein als männliche Besucher für Marias Töchter, die zugegebenermaßen etwas spät dran waren? Doch plötzlich waren Frauenstimmen zu hören, fremde Frauenstimmen. Wagentüren schlugen, dem Stimmengewirr nach zu urteilen musste es sich um eine ganze Gruppe handeln. Ein paar Anweisungen wurden gerufen, wieder nur Frauenstimmen. Maria richtete sich auf.
Oh, nein, die schon wieder.
Es musste ein fest vereinbartes Zeichen gegeben haben, denn plötzlich setzten die Frauen mit einem Sprechchor ein. Ein, zwei Wortführerinnen waren deutlich herauszuhören, die anderen fielen nach und nach ein und gemeinsam wurden sie lauter und lauter. Helbig hatte einige Mühe herauszuhören, was da unten eigentlich gerufen wurde. Mit der sächsischen Mundart war er immer noch auf Kriegsfuß. Aber nachdem verschiedene Laute zurückübersetzt waren, aus Kromer Kramer aus Hüren Huren geworden war, klang es deutlich von dort unten herauf:
KRAMER-WEIBER, HURENPACK!
Er war aufgestanden und lugte durch einen Spalt der Gardine hinunter. Maria stand hinter ihm, umfasste seinen Bauch, schmiegte sich wie gewohnt an ihn. Sie schien das Spektakel da unten nicht sonderlich zu beeindrucken.
Keine Sorge, Max und Paul sind noch da. Sie stehen bereit, falls eine von denen auf die Idee kommt, unser Haus zu bewerfen oder eine Wand zu beschmieren. Vermutlich ziehen sie gleich wieder ab, du wirst sehen, fahren zum nächsten Mosuo-Hof.
Maria schmunzelte.
Die schieben Frust. Weil sie hier oder auf einem anderen Hof ihre fremdgehenden Kerle vermuten. Die sollten sie sich mal vorknöpfen, anstatt hier Radau zu machen. Hurenpack, dass ich nicht lache. Welche Kultur hat denn die Prostitution hervorgebracht, die Ehe, nicht die Mosuo. Bei uns wird viel gevögelt, zugegeben, aber bestimmt nicht für Geld.
Maria hielt ihn enger umfasst, sah über seine Schulter mit hinunter.
Die da unten werden’s schon noch merken. Was meinst du, wer von denen ist die nächste, die sich uns anschließt. Wenn eine vom sogenannten Fremdgehen ihres Mannes endgültig die Nase voll hat. Oder weil sie vielleicht auch selbst schon mal einen anderen ausprobiert haben oder es zumindest gern mal würden.
Was glaubst du, wer ist die nächste? Die große Brünette da hinten rechts vielleicht? Das würde passen. Sie hat so was Energisches, Entschlossenes.
Langsam ebbte der Eifer da draußen ab und die ersten stiegen wieder ins Auto. Noch bevor die letzte Wagentür zugeschlagen war, lagen er und Maria wieder unter der Decke.
Helbig dämmerte, warum der letzte Hofladen pleite gegangen war und warum es auch der nächste Anlauf schwer haben würde.
Am nächsten Morgen: kein Wort über die kleine Frauen-Demo vor dem Haus. Paul war heute besonders Feuer und Flamme für sein Hofladen-Projekt. Realisierte hier niemand, was das eigentliche Problem war? Wie wollten sie ihr Gemüse an die Frau bringen, solange ihnen aus der gutbürgerlichen Umgebung dieser geballte Hass entgegenschlug? Also genau von den Frauen, die ihr Gemüse kaufen sollten.
Die Tochter von Helbigs zweiter Besuchsbeziehung hat zu ihrem Schlüsselfest, das den Zeitpunkt markiert, ab dem ein Mädchen Männerbesuch empfangen darf, ein Büchlein bekommen. Das sieht Helbig sich genauer an.
Am nächsten Tag hielt er das Buch von Susanne in den Händen. Von wegen Geheimhaltung. Susanne posaunte Helbigs Interesse heraus und übergab das Buch, während Corinna danebenstand. Die war zwar überrascht, fand es aber gut, dass er sich informieren wollte. Beim Abschied raunte sie ihm ins Ohr, nachdem sie ein wenig an seinem Ohrläppchen geknabbert hatte:
Hoffentlich lässt du dich nach der Lektüre nicht zur Frau umoperieren.
In seiner Hosentasche griff er sich unauffällig an die lädierte Stelle und flüsterte zurück:
Ein Anfang ist ja schon gemacht.
Was gleich auffiel, war die schlechte Verarbeitung des Büchleins. Paperback mit einer ziemlich minderwertigen Bindung. Und dann der Titel:
Handbuch für Mosuo-Frauen
Fantasieloser geht’s nimmer.
Die auf einigen Seiten angebrachten graphischen Verzierungen vermochten den allgemein dürftigen Eindruck kaum zu korrigieren. Erstaunlich, da das Buch ja an einem Festtag überreicht wurde, der für die betreffenden Mädchen immerhin einen neuen Lebensabschnitt markierte. Das Foto von der Gebirgslandschaft im Südwesten Chinas, woher die Mosuo stammten, war nur in Schwarzweiß. Wohl kaum aus künstlerischen Erwägungen, eher aus Geldmangel. Helbig kannte das Motiv vom Wohnzimmer der Kramers her in Farbe.
Die einleitenden Kapitel zur chinesischen Vorbildkultur blätterte Helbig nur oberflächlich durch. Er wusste durch seine Recherchen über die Mosuo im Internet Bescheid. Natürlich blieb es nicht aus, dass der Widerstand gegen die energischen Umerziehungskampagnen durch das Mao-Regime in den 60er Jahren in einem reichlich heroischen Licht gezeichnet wurde. Kein Wort davon, dass sich die Mosuo schließlich beugen mussten, indem sie 1975 zur Heirat mit ihren momentanen Partnern gezwungen wurden. Weil nach den Lockerungen die allermeisten wieder zur Tradition der Besuchsbeziehungen zurückkehrten, wurde dieses Intermezzo einfach ausgelassen. Ebenfalls verschwiegen wurde, dass der jahrzehntelange Druck und die Ein-Kind-Politik in den Köpfen vieler Männer inzwischen seine Spuren hinterlassen hatten. Männer zeigten ein wachsendes Interesse daran, die wenigen Kinder, die ihnen die chinesische Regierung zugestand, auch aufwachsen zu sehen.
Solche Ungenauigkeiten verhießen nichts Gutes für den Hauptteil, der jetzt folgte:
Warum dieser Tag für dich so wichtig ist.
Ist ja klar, warum er so wichtig ist. Weil du ab heute hemmungslos drauflos vögeln kannst, ohne jede Spur von Bindung und Verantwortung.
Seltsam, dass gleich das erste Unterkapitel überschrieben ist mit:
Deine Verantwortung!
Handle immer verantwortlich, wenn du dich entscheidest, wem du deine Tür öffnest. Höre, was deine Mutter oder ältere Geschwister zu sagen haben, denn sie haben mehr Erfahrung als du. Doch die Entscheidung, wen du einlässt, liegt ganz allein bei dir. Denn die einzige Person, gegenüber der du wirklich Verantwortung schuldig bist, wenn du einen Mann für die Nacht empfängst, bist du allein. Dich bindet kein Besitz, kein Haus an einen Mann. Auch kein wertvolles Geschenk, das er dir vielleicht gemacht hat. Vermeide gemeinsame Anschaffungen mit einem Liebhaber, wenn du vernünftig als Mosuo leben willst. So können Dinge und Besitz nicht als Mittel eingesetzt werden, dich in deiner Haltung zu einem Mann zu beeinflussen. Es gibt auch kein Versprechen für die Zukunft, weil der Wunsch, mit einem Mann zusammen zu sein, einzig und allein aus deinen aktuellen Empfindungen heraus erwächst. Der einzig gültige Grund, weswegen du einen Mann in deine Kammer lässt, ist der, dass du es genau in diesem Moment gerne willst.
Betrachte deine Sexualität als etwas Kostbares und Wertvolles. Lebe sie offen und selbstbewusst aus. Frauen, die zur Zurückhaltung und Schamhaftigkeit erzogen wurden, haben häufig nur gelernt, ihre Sexualität als ein Mittel einzusetzen, um einen Mann von sich abhängig zu machen oder um etwas anderes zu erreichen. Weil sie selbst unsicher und unselbstständig sind, sind sie darauf aus, einen Mann über eine längere Zeit an sich zu binden. Aber damit würdigen sie unsere stärkste und lustvollste Lebensenergie zu einem bloßen Mittel herab.
Jetzt, wo die Ehe immer mehr an Bedeutung verliert, haben auch immer mehr Frauen und Männer, die nicht als Mosuo leben, den Mut, ihren spontanen Gefühlen zu folgen. Aber sie tun es oft in Verbindung mit Lügen und Hinterhältigkeiten, weil sie sich gebunden haben oder sich gebunden fühlen (zumeist durch ein Kind, ein Haus oder ein Eheversprechen). Die zwischengeschlechtlichen Dramen um eigentlich gebundene Menschen füttern eine ganze Filmindustrie mit Stoff. Du brauchst nur den Fernseher einzuschalten und da hast du sie, die Unehrlichkeiten, Intrigen, Verwicklungen und emotionalen Abgründe bei den Verheirateten. Und es gibt ein breites Publikum, weil sich jeder da hineindenken kann, weil jeder und jede Verständnis hat, denn nur die allerwenigsten sind für eine lebenslange Bindung geschaffen. Rosenkriege und verhängnisvolle Affären gehören aber in den Bereich der Fiktion, in die Filmstudios. Als Mosuo-Frau sorgst du dafür, dass es in deinem Leben für so etwas keinen Platz gibt. Denn weil dich nichts und niemand an einen Mann bindet, genießt du die große Freiheit, dich in jeder Situation so zu verhalten, wie du es für richtig hältst, und du kannst ehrlich deinen Gefühlen folgen. Gleichzeitig bist du sicher aufgehoben in der Gemeinschaft deiner Mutterfamilie, die für die Erziehung deiner Kinder und deine Pflege im Alter Sorge trägt.
Weil du in der Liebe ungebunden bist, spielt es keine Rolle, ob der betreffende Mann in der Nähe wohnt oder ob er nur auf der Durchreise ist. Es ist egal, ob er Deutscher oder Ausländer ist, ob er gläubig ist oder nicht, ob er älter oder jünger ist als du, ob er arm ist oder reich.
Wenn in ehelichen Gemeinschaften die Wahl des Partners vom gesellschaftlichen Status des Mannes, seinem Besitz oder seinem Geld beeinflusst werden, dann sind diese Frauen nicht weit davon entfernt, sich zu prostituieren. Diese Frauen werden aber die ersten sein, die dich als Flittchen und Hure beschimpfen, nur weil du aufrichtig und ausschließlich deinen Gefühlen folgst. Du weißt jetzt, was du von solchen Beschimpfungen zu halten hast.
Es ist auch gleichgültig, ob du über eine längere Zeit denselben Mann empfängst oder ob es jede Woche ein anderer ist. Natürlich kannst du auch Frauen lieben. Du bist allein deinem Herzen gegenüber verantwortlich.
Dasselbe gilt natürlich auch für die Partner, die dich besuchen. Weine ihnen nicht nach, wenn sie nicht mehr kommen. Es ist ihre Entscheidung, genau, wie es deine ist, jemandem die Tür zu verweigern. Für jeden Mann, der wegbleibt, gibt es viele neue, die an deine Tür klopfen.
Das klang so unvernünftig nicht. Helbig stand auf und setzte Teewasser an, während er das Gelesene sacken ließ. Mit einer dampfenden Tasse neben dem Büchlein ging’s kurz darauf weiter.
Kinder und dein Umgang mit Erzeugern
Überlege vorher, ob du schwanger werden willst, und beziehe deine Mutterfamilie in diese Überlegung mit ein, denn ein Kind bedeutet für alle eine große Veränderung. Nutze die unglaubliche Fähigkeit deines Körpers, neues Leben zu schenken, aber entscheidet gemeinsam, wann dafür der rechte Zeitpunkt gekommen ist.
Wer dein Kind letzten Endes zeugt, ist von untergeordneter Bedeutung, es hat ja in jedem Fall eine stabile Familie. Wir empfehlen dir, den betreffenden Mann nicht über eine erfolgte Zeugung zu informieren, was besonders gilt, wenn er nicht auch als Mosuo lebt. Männer, die in westlichen Ehestrukturen aufgewachsen sind, neigen dazu, ihre Bedeutung zu überschätzen und sich in die Mutterfamilie hineinzudrängen, wenn sie wissen, dass dort ein Kind aufwächst, das sie gezeugt haben. Ihnen fehlt ihnen noch die Einsicht, dass die Blutsverwandten der Mutter der stabilste und sicherste Rahmen für die Erziehung eines Kindes darstellen, der sich denken lässt.
Dabei ist gar nichts falsch daran, wenn du dich über eine lange oder sehr lange Zeit mit demselben Mann triffst. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, dass es ein Leben lang derselbe ist, auch wenn das nur selten vorkommt. Das entscheidet allein dein Herz. Du bist eine freie Frau in einem freien Land.
Aha, und ich dachte, lebenslange Beziehungen seien verpönt.
Überlege dir aber sehr genau, ob du dich auf dasjenige einlässt, was vielfach eine Beziehung genannt wird, denn damit gehen sehr schnell Abhängigkeiten und Unehrlichkeiten einher. Abgesehen davon ist es nicht ungefährlich für dich: Es ist nachgewiesen, dass mehr als die Hälfte aller Jugendlichen im Alter von 14-17 Jahren in ihren ersten Beziehungen Gewalt erfahren. Mehr als die Hälfte bedeutet, dass es eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich ist, dass es auch dich trifft, wenn du die Bekanntschaft mit einem Mann oder mit einem Jungen in eine feste Beziehung ausufern lässt.
Dazu wird unten eine Studie aus Hessen zitiert, angeblich im November 2013 veröffentlicht.
Ist es das wert? Ist es eine Beziehung wert, möglicherweise später unter Ängsten und Schlafstörungen zu leiden und Vorbehalte gegenüber Männern zu entwickeln - Männer, die dir in dem langen Leben, das vor dir liegt, noch so viel Lust bereiten könnten?
Irgendwann wird eine solche Beziehung vielleicht auf eine Ehe hinauslaufen, aber ungefähr die Hälfte aller Ehen wird wieder geschieden, wobei nicht zufällig die meisten Scheidungen von Frauen ausgehen. Aber wenn sie ihre Partner dann endlich wieder los sind, stehen sie oft alleine da. Nicht selten kehren sie mit ihren kleinen Kindern wieder zu ihren Müttern zurück, dahin also, wo sie am besten gleich geblieben wären.
Siehe Helene Kramer.
Wenn die Hälfte aller Ehen in die Brüche geht, wird das als ganz normal angesehen. Würde die Hälfte aller Flugzeuge in die Brüche gehen und vom Himmel stürzen, wäre der Aufschrei groß und sofort würden alle einen Konstruktionsfehler vermuten.
Über den Konstruktionsfehler Ehe wird noch Stillschweigen gewahrt. Dieser Fehler zeigt sich übrigens auch dann, wenn du Glück hast und die Beziehung hält. Schnell wirst du merken, wie schwer und entbehrungsreich das Leben wird, wenn sich Kinder einstellen. Denn es sind ja nur zwei, die diese Aufgabe bewältigen müssen, neben der Sorge um das tägliche Auskommen. Kein Wunder also, dass eheliche Gemeinschaften nicht in der Lage sind, sich selbst zu reproduzieren und den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Das zeigt ein Blick auf die Geburtenzahlen.
Und wer sorgt für dich im Alter? Dein Ehepartner? Er allein? Selbst, wenn ihr wirklich dann noch zusammen seid, wird dein Mann vermutlich vor dir pflegebedürftig werden und früher sterben wie die meisten Männer. Und dann? Es bleibt nur ein Pflegeheim, wenn du nicht einem deiner Kinder zur Last fallen willst.
In deiner Mosuo-Mutterfamilie teilen sich viele die Aufgabe der Kindererziehung, und Gleiches gilt, wenn es einen alten Menschen zu pflegen gilt. Hier musst du dir um deinen Lebensabend keine Sorgen machen.
Triff deine Entscheidungen nie im Überschwang großer Gefühle für einen Mann. Du wirst im Laufe der Jahre merken, dass sich solche Empfindungen von selbst abschwächen, sodass dir dann wieder klarer vor Augen steht, wo dein Platz ist und was wirklichen wertvoll ist. Nicht umsonst heißt es: Liebe macht blind.