Ferkelchen

Die feine Hundenase lässt sich nicht hinters Licht führen, schon gar nicht von den paar Gabeln Mist, mit denen Papa die Nachgeburt und die beiden totgelegenen Ferkel bedeckt hat. Schnell ist der Münsterländermischling auf dem Misthaufen fündig geworden. Beim Versuch, den Kopf eines Ferkelchens richtig zwischen den Backenzähnen zu justieren, gewinnt so ein Hofhund einen sehr konzentrierten Gesichtsausdruck. Dann hallt berstendes Gebein zwischen den Stallungen wider.

Und die Überlebenden, die sich um eine freie Zitze balgen?

Weil das Fleisch der Schweine sonst später ungenießbar nach Pisse schmeckt. Seine Cousinen aus der Stadt hören es ungläubig an, während sie die kleinen Ferkelchen auf den Arm nehmen, streicheln.

Vor zwei Tagen nimmt Christian die Ferkelchen auch auf den Arm, die Unmarkierten, umfasst mit einer Hand je ein Vorder- und ein Hinterbein an den Gelenken und klemmt den kleinen Hinterleib mit dem Ellbogen gegen die eigene Hüfte. Überhaupt noch kein Grund, so ohrenbetäubend loszubrüllen, Papa streicht doch nur ganz leicht mit dem Zeigefinger über die weiche Haut unter dem Schwanz. Da lässt sich etwas Rundliches hin- und herschieben. Ein Schnitt mit der Rasierklinge, eine wässrige Flüssigkeit tritt aus, die Chris über den alten Kittel läuft, ein kleines bläuliches Ei wird mit dem Daumen herausgedrückt, und man sieht: Das Bällchen hat auch einen dunkelblauen Ritz abbekommen. Dann Herausziehen des Hodens mit dem Samenleiter. Die brenzligste Situation, weil das Ferkelchen unter noch lauterem Gebrüll jetzt panisch versucht, freizukommen. Der Ellbogen muss jetzt mit aller Kraft das Tier einklemmen. Durchtrennen der Samenleiter. Jetzt noch die andere Seite. Besprühen mit Desinfektionsmittel. Markierungsstrich auf den Rücken. Fertig. Das nächste muss Papa erst noch fangen.

Die Ohren pfeifen noch vom Geschrei des letzten. Um die Beine streicht ein schwarzes Fell. Zweimal macht es bei den Füßen Schleck. Langsam löst sich die Verkrampfung seiner Zunge. Schon wieder hatte er während der Prozedur mit voller Kraft von hinten gegen seine Schneidezähne gedrückt. Natürlich, weil er auch ein bisschen an seine eigenen dachte dabei. Für das nächste Ferkel nimmt er sich fest vor die Zunge mit den Backenzähnen festzuhalten. Sonst sieht er am Ende noch so aus wie die Ulrike aus seiner Grundschulklasse. Die mit ihren Hasenzähnen.